Kommt es jetzt zu einer gesamthaften Beurteilung des Projektes “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff”?

Das Pionierprojekt, welches von der interessierten Öffentlichkeit viel Anerkennung geerntet hat, ist in der breiten Öffentlichkeit durch einen “Expertenstreit” in Misskredit geraten

Vor sieben Jahren hat die Bearbeitung des Projektes “Zillertalbahn 2020+” mit folgendem Ergebnis einer wissenschaftlichen Variantenuntersuchung begonnen:

  • Die einfachste, billigste und am Markt standardmäßig einkaufbare Variante ist die Elektrifizierung der Bahn mit Oberleitung (Variante Oberleitung DC 1500V).
  • Die schwierigste und anspruchsvollste Variante ist die Elektrifizierung der Bahn mit der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie (Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff).
  • Dazwischen liegen zwei Batterie Varianten mit Ladung der Züge auf der Strecke unter einer teilweisen Oberleitung (Variante Akku-Schnelladung) bzw. Ladung der Züge in den Endbahnhöfen (Variante Akku-Endbahnhofladung).

Die Entscheidung des Aufsichtsrates der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG fiel auf die schwierigste und anspruchsvollste Variante (die pionierhafte Elektrifizierung der Bahn mit der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie), weil:

  • der Ergebnis-Nutzwert mit 55 % für die Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff und für die Variante Akku-Endbahnhofladung gleich, jedoch die Kosten für die Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff mit 88 Mio. € und für die Variante Akku-Endbahnhof mit 126 Mio. € angegeben wurden,
  • in der Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff die Option gesehen wurde, dass man um die Kosten für die Oberleitung inkl. Grund und Behördenverfahren einen “Wasserstoff-Business-Case” aufbauen kann, der dem Tal größere Flexibilitäten bei der Strombeschaffung am Strommarkt ermöglicht,
  • mit der Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff der Fahrplan mit der Mindestanzahl von 4+1 Zuggarnituren möglich ist,
  • das höhere Technologie- und Beschaffungsrisiko mit dem eigenen Know-how Aufbau über Forschungswettbewerbsprojekte eingegrenzt werden kann,
  • das Wasserstoff-Logistik- und Preisrisiko mit dem Wasserkraft-Talschaftsvertragspartner Verbund
    fair geregelt werden kann,
  • die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff und entsprechender Infrastruktur für die regionale Entwicklung einen hohen volkswirtschaftlichen Wert darstellt,
  • mit dem Wasserstoffzug im Sinne der Strategie “Tirol 2050 energieautonom” ein regionaler „Power to Hydrogen“-Prozess aufgebaut werden kann, der für den Umbau des Energiesystems auf Klimaneutralität und Autonomie den “Power on Demand”- Prozess maßgeblich entlastet,
  • es keiner weiteren Stromleitung (Oberleitung) bedarf, die Bahnübergänge für Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie erschwert und
  • für die Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff nicht in die Trasse eingegriffen werden muss und diese daher zeitnah umgesetzt werden kann.

Das diesbezügliche Video Zeitdokument zeigt diesen seinerzeit “mit viel Respekt und Verantwortungsgefühl” durchgeführten Entscheidungs- und Entwicklungsprozess für das dafür gesamthaft definierte Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” und die Mitwirkung aller maßgeblichen Verantwortungsträger aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, die bei der Ausschreibung, Vergabe und der Schaffung der Umsetzungsvoraussetzungen für die Wasserstoffbahn dabei waren.

Vor fünf Jahren schreibt das St. Gallener Tagblatt unter dem Titel “Weltpremiere im Zillertal: Stadler Rail liefert Wasserstoff-Züge nach Österreich“: “Der erste Zug soll bereits 2020 im Probebetrieb rollen. Ab dem Winterfahrplan 2022 soll die Zillertalbahn dann als erste Schmalspurbahn der Welt mit Wasserstoff verkehren”.

Aktuell hat Stadler Rail – anstatt für das Zillertal – den ersten Wasserstoffzug für Kalifornien gebaut und in Betrieb genommen, bereitet die Auslieferung der ersten Schmalspurzüge für Italien vor und wartet, aufgrund immer wieder neuer Schwierigkeiten, die beim Abschluss des Verkehrsdienstevertrages zwischen der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG und dem Land Tirol auftauchen, schon seit fünf Jahren auf den Abruf der Wasserstoff-Zuggarnituren.

Ungeachtet dessen wird die Projektentwicklung und die Schaffung der Betriebsvoraussetzungen, die für die Risikominimierung der Kosten und der Funktionalität der Wasserstoffbahn notwendig sind, zielkonvergent erledigt. Der diesbezügliche Knowhow-Aufbau wird im Forschungszentrum HyWest am Green Energy Center Europe in Innsbruck voran getrieben. Im nationalen Flaggschiffprojekt “WIVA P&G HyTrain” wird das Know-how für die Qualitätssicherung der Vergabe-, Übernahme- und Betriebsprozesse erarbeitet und im Projekt “WIVA P&G HyWest” erfolgt die konsequente Einbettung des Projektes in den Aufbau einer grünen regionalen Wasserstoffwirtschaft.

Damit hat das Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” einen wissenschaftlichen und realwirtschaftlichen Umsetzungsrahmen bekommen, den es in dieser Form noch nirgendwo gibt. Das österreichische Leuchtturmprojekt hat daher von der interessierten Öffentlichkeit maximale Anerkennung und Zuspruch aus aller Welt erhalten.

So als ob es das alles nicht gegeben hätte und gäbe

wurden nun die Verantwortungsträger nach sieben Jahren wieder zum “Einkaufsvariantenrechnungsprozess” zurückgeführt, bei dem plötzlich Mehrkosten für die Variante Brennstoffzelle-Wasserstoff in einer Bandbreite von 83 bis 180 Millionen angegeben werden, obwohl in der Relation der Varianten untereinander keine wesentlich besseren Erkenntnisse vorliegen als vor 7 Jahren. Daraus ist jetzt ein, in der breiten Öffentlichkeit ausgetragener, “Expertenstreit” mit einem “Doktortitelskandal”, “Steuergeldvernichtungsdrohungen” und die Bezichtigung des “Drüberfahrens” entstanden. Die damit zwangsläufig verbundene “Lawine an Verunsicherung und Misstrauen” hat vorerst einmal alles verschüttet, worauf die Protagonisten, die seit sieben Jahren “mit viel Respekt und Verantwortungsgefühl” am anerkannt mustergültigen Pionierprojektaufbau arbeiten, berechtigt stolz sein konnten.

Wasserstoff wird extern geprüft

siehe Tiroler Tageszeitung 2. August 2023

Die vom Land Tirol angekündigte nochmalige “Prüfung aller Entscheidungsgrundlagen inklusive Kosten eröffnet nun allen beteiligten Experten und vor allem den Verantwortungsträgern noch einmal die Möglichkeit

  • den betriebs-, volks-, klima-, energie- und ressourcenwirtschaftlichen Gesamtzusammenhang herzustellen,
  • alle Aufwendungen, Ergebnisse, Erfahrungen und Schäden aus den Projektverzögerungen wie Teuerungen und Bearbeitungsaufwendungen in die aktuellen “Einkaufsvariantenrechnungen” mit einzubeziehen,
  • die Fragen zu beantworten, welche gesicherte und ungesicherte Aussagekraft die letzten Variantenrechnungen haben und welche Zeit und Kostenrisiken hinter diesen Variantenrechnungen stecken,
  • Schlüsse zu ziehen, welche Konsequenzen auf den weiteren Projektverlauf in Bezug auf die Termin-, Kosten- und Qualitätseinhaltung zu erwarten sind und
  • die breite Öffentlichkeit transparent und neutral darüber zu informieren.

Bei der gegebenen Komplexität des Projektes ist es – bei aller Offenheit zu einer Oberleitungs-, Batterie- oder Wasserstofflösung – zum jetzigen Zeitpunkt realwirtschaftlich schwer vorstellbar, dass mit einer alternativen Variante zum gesamthaft bearbeiteten Projekt “Zillertallbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” in einer kurzen Zeit ein gleichwertiger Projektentwicklungsgleichstand hergestellt werden kann. Jedenfalls wissen wir aus den Erfahrungen, die wir am Green Energy Center Europe mit der Markteinführung der ersten Serien von batterie- und wasserstoffelektrischen Fahrzeugen in Europa gemacht haben, dass der Know-how Aufbau und die Einordnung der Batteriefahrzeugtechnologien in den “Power on Demand”-Prozess eine ebenso große Herausforderung ist, wie die zeitversetzte bzw. zeitflexible Einbindung der Wasserstofftechnologien in den “Power to Hydrogen”-Prozess war und ist.

Am sinnvollsten wäre eine technologieoffene Ausschreibung

siehe Tiroler Tageszeitung 2. August 2023

Dazu ist im Hinblick auf sparsames, wirtschaftliches und zweckmäßiges Handeln die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob der Markt überhaupt der geeignete Ansprechpartner für die Auslagerung einer derartigen volks-, betriebs-, klima-, energie- und ressourcenwirtschaftlich komplexen Variantenentscheidung, wie für die “Zillertalbahn 2020+”, sein kann.
Der Markt kann scharfe Preise nur für exakt definierte Produkte, Leistungen und Funktionen liefern. Für nicht exakt definierte Produkte, Leistungen und Funktionen kann er nur mit entsprechend langen Listen von Vorbehalten (Disclaimern), Risikoaufschlägen und Garantie-Ausstiegserklärungen reagieren.
Wenn “sachkundige Auftraggeber” diese Art von “Entscheidungsauslagerung” wählen, dann ist aus unzähligen Fällen bekannt, dass diese Vorgehensweise vielfach schon in der Abwicklung des Geschäftes, spätestens jedoch bei der Abrechnung und Inanspruchnahme von Garantien, zu Problemen führt. Daraus resultiert der “Stoff für Kontrollorgane und Rechnungshöfe” und die damit verbundenen “Skandalgeschichten” die uns “Posthum” ununterbrochen über die Medien erreichen.

Schlüsse daraus

Während die “Einkaufsvariantenrechnung für die Zuggarnituren”, die in der gegenwärtigen Form nur einen Bruchteil der Aufgabenstellung und Kosten abbildet, durch weitere Gutachten ergänzt und für die breite Öffentlichkeit rechnungshofkonform, transparent und akzeptierbar aufbereitet werden muss

  • fallen für die Zillertalbahn seit dem Jahr 2022 jährlich 800.000 bis 900.000 Liter Diesel und 2,2 Mio. kg mehr “strafzahlungsfähige” CO2 Gleichwerte an,
  • bereitet Stadler Rail die Auslieferung der ersten Schmalspurzüge für Italien vor und
  • liegen die ersten Betriebserfahrungen über die weltweit ersten Wasserstoffzüge vor.

Auch wenn die ersten Betriebserfahrungen mit den weltweit ersten Wasserstoffzügen für die Umsetzung des Projektes “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” belastend aussehen, ergibt die Analyse, dass für die Implementierung der ersten Wasserstoffzüge genau jene Hausaufgaben zur Eingliederung des Wasserstoffzugbetriebes in einen geregelten “Power to Hydrogen”-Prozess einer funktionierenden grünen Wasserstoffwirtschaft nicht in der Form erledigt wurden, wie sie für das Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” erledigt werden. Dasselbe wird auch für die qualitätsgesicherte und risikominimierte Eingliederung der Batteriezüge in den perspektivisch immer teurer werdenden “Power on Demand“-Prozess der grünen Stromwirtschaft gelten.

Seit Beginn unserer Arbeit zum Umbau von Energiesystemen auf Klimaneutralität und Autonomie weisen wir in unseren Vorträgen und Schulungen darauf hin, dass die neuen Technologien, wie Batterie- und vor allem Wasserstoffanwendungen, noch “nicht bei Amazon zu kaufen sind und es deshalb “sachkundige Auftraggeber und Experten braucht, die Knowhow und Kompetenz für die gesamthaft zusammen wirkende Technik- und Businessplanung sowie für die Risikominimierung und Qualitätssicherung der Prozesse besitzen. Etliche unserer Kunden, die dieses Faktum erkannt und ernst genommen haben, arbeiten heute mit ihren Projekten und Produkten sehr erfolgreich im “Business der Zukunft”. Viele, die das nicht zur Kenntnis nehmen konnten und wollten, sind mit Ihren innovativen Firmen, Projekten und Produkten nicht mehr vorhanden.
Im Bereich der Wasserstoff-Projektbetreiber arbeiten bislang wenige Projektbetreiber so konsequent wie wir es beispielsweise bei unseren Leitprojekten zum Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft in Zentraleuropa bei MPREIS, ZVB und TIWAG , die u.a. mit Forschungswettbewerbsprojekten, wie beispielsweise HyTrain und HyWest inhaltlich und finanziell maßgeblich unterstützt werden, tun.
Aus dem gegenständlichen “Expertenstreit” rund im die Umsetzung der “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” ergibt sich sehr klar, dass einige Experten und Verantwortungsträger davon ausgegangen sind oder nach wie vor davon ausgehen, dass es alles, was für den Aufbau und die Absicherung des anspruchsvollen Projektes gemacht wurde und wird, nicht braucht (siehe “So als ob es das alles nicht gegeben hätte und gäbe”), weil es sowieso für alles Experten gäbe und alles bei den Herstellern gekauft werden kann. Das ist ein Denkfehler, der sich aus unserer bisherigen Erfahrung bislang noch überall verlässlich gerächt hat.
Egal was dieser (hoffentlich) letzte Akt des “Expertenstreits” noch bringen wird, es bleibt in jedem Fall die Frage offen, warum dieselben Experten und Verantwortungsträger nicht schon vor 7 oder 5 Jahren (siehe Video Zeitdokument) nicht in den damaligen Variantenevaluierungsprozess entscheidend eingegriffen haben, und warum jetzt so großer Aufwand für dieses vorläufige “Nicht-Ergebnis” getrieben wurde. Jedenfalls haben die Verzögerungen beim Projekt “Zillertalban 2020+ mit energieautonom mit Wasserstoff” bewirkt, dass wir vom international anerkannten “Vorreiter” zum “Nachläufer” beim Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft geworden sind und die daraus resultierenden Schäden bereits an allen Ecken und Enden sichtbar werden.
Mit einer gesamthaften Beurteilung des Projektes “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” gibt es noch einmal für alle Experten und Verantwortungsträger die Chance, dass der Respekt vor dem, was geschaffen wurde, und das Verantwortungsgefühl, auch für alle Protagonisten, die am Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft in Zentraleuropa zielstrebig mitgearbeitet haben und mitarbeiten, wieder die Oberhand bekommt und der Stolz auf diese Zukunftsarbeit, welche für die strategiekonforme nachhaltige Entwicklung der beteiligten Unternehmen, Regionen und des Landes entscheidend ist, wieder zurückkehren kann.

E. Fleischhacker, Vorsitzender der Codex Partnerschaft des Green Energy Center Europe in Innsbruck, Geschäftsführer der FEN Sustain Systems GmbH und Konsortialführer der nationalen Leuchtturm- und Flaggschiff-Projekte “HyTrain” und “HyWest” der Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas

Vorgeschichte

EXPERTENSTREIT BEIM PROJEKT “ZILLERTALBAHN 2020+ ENERGIEAUTONOM MIT WASSERSTOFF”

Weitere Informationen

Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff”: Video Zeitdokument:

Die zehn häufigsten Fragen zum Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” 

Projekt HyTrain des Forschungszentrums HyWest am Green Energy Center Europe in Innsbruck

Forschungswettbewerbsprojekt WIVA P&G HyTrain: Flaggshiffprojekt der nationalen Wasserstoffinitiative-Vorzeigeregion Austria Power & Gas

Video WIVA P&G HyTrain

Publikation WIVA P&G HyTRain: European Hydrogen Energy Conference 2022 in Madrid veröffentlicht, A Simulation Toolchain for the Refueling of Hydrogen Vehicles, K. Esser, J. Rauh, N. Klopcic, S. Pofahl, M. Sartory and A. Trattner

Forschungszentrum HyWest am Green Energy Center Europe in Innsbruck

Video Forschungszentrum HyWest

Forschungswettbewerbsprojekt “WIVA P&G HyWest”: Flaggschiffprojekt der nationalen Wasserstoffinitiative-Vorzeigeregion Austria Power & Gas

Video WIVA P&G HyWest

Publikation: “Establishment of Austria’s First Regional Green Hydrogen Economy: WIVA P&G HyWest

Land Tirol: „Wasserstoffbahn im Zillertal: bewusste Entscheidung für Innovation“